言葉蒐集家 : Ozdamarのテクストにおける語りの方法

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  • コトバ シュウシュウカ OZDAMAR ノ テクスト ニ オケル カタリ ノ ホウホウ
  • Eine Wortersammlerin. : zur Erzahlmethode bei Emine Sevgi Ozdamar

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抄録

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Ich bin eine Wörtersammlerin, so charakterisiert sich die Erzählerin von "Mutterzunge" (1990), einerm Text der Deutsch schreibenden Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar (1946-). "Wörter sammeln" scheint ein großes Interesse aller erzählenden Figuren bei Özdamar zu sein. Die Vielfalt der Sprachen in den Texten dieser gebürtigen Türkin könnte man als eine Sammlung diverser Sprache bezeichnen. In der Figur des Sammlers sieht bereits Walter Benjamin eine Möglichkeit, die Dinge von ihrem Funktionswert zu befreien. Die private Sammlung des benjaminschen Sammlers eröffnet vielfältigere Aspekte als die öffentliche, die ein sanktioniertes Dokument der Kultur oder "ein solches der Barbarei" darstellt. Der private Sammler ,zitiert' Dinge und stellt sie zusammen, um sie aus einer zerstörten Vergangenheit zu retten. Mit dem Begriff "Sammeln" könnte man Özdamars zweiten Roman, "Die Brücke vorn Goldenen Horn" (1998), als eine private Wörtersammlung der Erzählerin auffassen. Bei diesem jungen Mädchen aus der Türkei, das als Arbeiterin nach Berlin kommt, hat das "Sammeln" allerdings eine andere Funktion als bei Benjamin, der über einen privilegierten Zugang zum Fundus westlichen Wissens verfügte. Die Türkin sammelt zwar die Schlagzeilen in deutschen Zeitungen nicht nach deren "Funktionswert", aber sie tut das deshalb, weil sie kein Deutsch kann. Wenn sie jedoch einmal bemerkt, daß man in einern gewissen Milieu eine bestimmte Sprache gebraucht, sammelt sie die entsprechenden "nützlichen" Wörter, die ihr das Sprechen überhaupt ermöglichen. So lernt sie die deutsche Sprache und die Sprache der Sozialisten, die in den sechziger Jahren sowohl in Berlin als auch in Istanbul herrschte. Die Ich-Erzählerin ist aber nicht imstande, ihre Sprachsammlung mit einem Kommentar zu versehen, weil sie keine eigene Sprache besitzt. Sie kann die diskutierenden Männern nur als "Zuschauerin" beobachten, und diese Szenen ,einfältig', aber bildhaft wiedergeben. Diese Perspektive der Erzählerin, die über das Erzählte keinen Überblick hat und in diesem Sinne nicht "auktorial" ist, beruht weniger auf der Struktur der Erzählung, als auf ihrem sozialen Standpunkt, der von Geschlecht (gender), Ethnizität, Klasse (Bildungsniveau) und anderen Faktoren bestimmt wird. Die farbige Frau aus der dritten Welt, die in westlichen Männersprachen schreiben will, so bemerkt Trinh T. Minh-ha, muß "den Herrschenden die Sprachen stehlen". Das strategische Stehlen der Wörter ist aber keineswegs eine Alternative, die den Machtdiskurs sozusagen im Handstreich erledigt. Die Verwendung der "gestohlenen Sprache", der einzigen Aussagemöglichkeit der marginalisierten Frauen, verstärkt und konserviert paradoxerweise immer wieder das herrschende Diskurssystem. Nur das Aufschimmern einer Möglichkeit sieht Trinh T. Minh-ha im geschärften Bewußtsein der Stehlenden: die Möglichkeit, die "Leere (seiner) Macht, (seiner) Sprache, (seiner) Verkleidung" wahrnehmbar zu machen. Allem Anschein nach zeigt auch unsere Erzählerin eine Möglichkeit, die herrschende Sprache kritisch darzustellen. Sie beobachtet bloß die Haltung der diskutierenden Männer, aber ganz genau bis auf einzelne Kleinigkeiten, um sich die Sprache sowie das Verhalten der männlichen Intellektuellen anzueignen. Aber eben durch diese Beobachtung tritt die Leere des sozialistischen Jargons ins Licht. Die Diebin der Wörter, die immer schon Schauspielerin werden wollte, zitiert nicht nur die Wörter dramatischer Texte im alltäglichen Kontext, sondern sie ahmt ebenso die Haltung der Figuren nach. So wird auch das Bild "der bewußten Frauen im Sozialismus", die eben erfundene Frauenfiguren der sozialistischen Sprache sind, für die werdende Schauspielerin ein Ziel, das sie durch "Nachahmen" erreichen will. Als die Sprache der Sozialisten schließlich ihre Leere offenbart, verliert auch die Erzählerin das Muster, nach dem sie sich verhalten und sprechen wollte. Aber ihr bleibt ihre Methode, die Dinge genau zu beobachten. Der feinen Beobachterin entgeht daher auch der Bereich nicht, der jenseits der "Sprache" angesiedelt ist. Auf der Brücke vom Goldenen Horn sieht sie die sprachlosen Mütter, deren Söhne verhaftet und hingerichtet wurden. Die Erzählerin verfügt hier über ein feines Gehör, mit dem sie stimmlose Stimmen hörbar zu machen vermag. Die Stimmen der Mütter, die alles andere als eine brauchbare Sprache liefern, werden hier "zitiert". Mit Benjamin könnte man fast sagen, daß hier möglicherweise der Schmerz der Sprachlosen aus der Vergessenheit zu retten sei. Die gesammelte, gestohlene und nachgeahmte Sammlung der Erzählerin besitzt zwar nicht die Radikalität, die Trinh T. Minh-ha in ihrer postkolonialistischen und postfeministischen Sprachkritik zeigt, aber die hartnäckige Beobachtung, mit der sie diverse Szenen wiedergibt, eröffnet immerhin einen Zugang zu den unhörbaren Stimmen, die schweigend auf "Rettung" warten.

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